17 Apr 2019 Metallisches Sintern ist wie die hohe Backkunst
Das metallische Sintern mit Silber- oder Kupferpasten zur Anbindung von Halbleitern, Grundplatten oder Kühlstrukturen hat in den letzten Jahren konventionelle Lötverfahren in Hochtemperaturanwendungen verdrängt. Aber auch bei Bauteilen mit speziellen Anforderungen an die Lebensdauer und Zuverlässigkeit findet sich die Sinterverbindung wieder. Um den Sinterprozess besser zu verstehen, eignet sich der Vergleich mit der Backkunst in Sterne-Restaurants. Sowohl in der Vorbereitung als auch bei der Temperatur- bzw. Prozessführung ähnelt das Sintern dem Backen deutlich.
Prozessabläufe Sintern und Backen
Das metallische Sintern von Halbleiteranbindungen und das Backen von Pizzas oder Sandwiches ähneln sich im Ablauf.
Schritt 1: Aufbringen der Paste
Der erste Schritt des Sinterns und Backens beginnt mit einem Teig (Sinterpaste). Dieser muss auf ein Backblech (Schaltungsträger) ausgerollt (gedruckt) werden. Eine homogene und fehlerfreie Schicht ist dabei entscheidend für die spätere Qualität des Produkts. Fertigteigen bzw. Instantprodukten (Sinterpreforms) können ebenfalls verwendet werden. Sinterpreforms bzw. Instantprodukte sind auch nicht negativ behaftet.
Schritt 2: Trocknung
Ähnlich wie bei bestimmten Teigen müssen die Pasten vorgetrocknet werden. Dies erfolgt im Umluftofen bei Temperaturen zwischen 60°C und 150°C. Wird zu stark getrocknet, bekommt der Teig Risse während des folgenden Backvorgangs. Ist die Paste zu nass, treten später unerwünschte Flüssigkeiten aus. Der Teig bleibt beim Backen weich bzw. beim Sintern bilden sich Trocknungskanäle, welche die Zuverlässigkeit und Lebensdauer der Bauteile negativ beeinflussen.
Schritt 3: Bestückung
Wurde mit den richtigen Parametern getrocknet, kann der Teig mit Zutaten (Halbleiterbauelementen) belegt werden. Die Andrückkraft ist wichtig, um die Zutaten nicht zu stark in den Teig einzudrücken. Jedoch sollen diese auch nicht lose aufliegen und sich beim Backvorgang verschieben.
Schritt 4: Variante Backen ohne Druck
Ist der Teig belegt, kommt es zum eigentlichen Backen. Dieses kann drucklos im Backofen erfolgen oder es wird Druck von außen zur weiteren Verdichtung aufgebracht. Beim drucklosen Sintern werden die Teile in den Ofen gelegt und ein bestimmtes Temperaturprofil abgefahren. Die Prozesszeiten liegen hierbei meist im Bereich von mehreren Minuten bis hin zu etlichen Stunden.
Schritt 4: Variante Backen mit Druck
Das druckbehaftete Sintern hat gegenüber dem drucklosen Sintern etliche Vorteile und ist damit deutlich weiter verbreitet. Dazu zählt in erste Linie die um Größenordnungen schnellere Taktzeit. Der Prozess entspricht vom Prinzip her einem Sandwichmaker. Vorgeheizte Platten drücken mit Kraft von zwei Seiten auf das Produkt und erhitzen es innerhalb weniger Sekunden. Je höher die Kraft und Temperatur, desto schneller wird das Produkt gebacken. Wird der Druck jedoch zu hoch, kommt es zur Beschädigung der Ware (der Teig läuft an den Seiten heraus), Wird die Temperatur falsch gewählt, verbrennt der Teig.
Was Prozessingenieure von Bäckern lernen können
Ähnlich wie bei der Sterneküche hängt der Erfolg des Sinterprozesses massiv von den verwendeten Materialien und Werkzeugen ab:
- Nur frische Zutaten führen zum Erfolg: Überlagerte (verdorbene) Waren sind absolut tabu
- Mit den besten Zutaten erhalten Sie auch das beste Erlebnis für Ihren Kunden: Kosteneinsparungen bei der Materialqualität lohnen sich beim Sintern keinesfalls!
- Tragen Sie Handschuhe, um die Ware nicht zu kontaminieren
- Achten Sie auf eine vorsichtige Handhabung der Bauteile, speziell wenn diese noch nicht gesintert wurden und der Teig noch roh ist. Bauteile können sich verschieben oder der Teig wird beschädigt.
- Keine arbeitsvorbereitenden Maßnahmen, Überarbeiten von Werkzeugen oder sonstigen „dreckigen“ Aktivitäten neben der Sinterlinie: Ihre Toilettenbürste und Backbleche reinigen Sie schließlich auch nicht zusammen in der Küche!
- Verwenden Sie nur sauberes Werkzeug: Wie gut kann das Sandwich werden, wenn an dem Pfannenwender noch Käsereste vom Vortag kleben?
- Legen sich Wert auf eine saubere Vorbereitung: Gerade beim Sintern müssen alle Prozesse vor dem eigentlichen Sinterschritt passen. Dazu zählen in erste Linie das Drucken und Trocknen der Paste, sowie die Bestückung mit Bauelementen. Ein schlampig ausgerollter Teig ist nach dem Backen an manchen Stellen verbrannt und an anderen Stellen noch roh.
- Jedes Haar in der Suppe stört den Gast bzw. erzeugt Fehlstellen in der Sinterschicht: Ein Reinraum mit entsprechenden Vorkehrungen ist notwendig. Dabei sind die Anforderungen im Vergleich zum Löten wesentlich höher: Reinraumklasse, geschultes Personal, Reinigungsintervalle, etc.
- Backzeiten müssen eingehalten werden: Undurchdachtes Beschleunigen der Zeit führt zu einer Verschlechterung der Qualität: Das Produkt ist außen verbrannt und innen noch roh
- Die Produkttemperatur ist entscheidend: Jeder kennt das Phänomen: Neuer Herd und plötzlich funktioniert kein Rezept mehr: Die Ursache liegt in der unterschiedlichen Temperaturführung und Verteilung. Deshalb sollten Sie immer die Produkttemperatur bzw. Verteilung messen und nicht blind auf den Ofenhersteller vertrauen
- Atmosphären beachten: Beim Sintern ist die Atmosphäre entscheidend (Sauerstoffgehalt, Schwefelgehalt, organische Ausgasungen): Stellt man ein Glas Wasser beim Backen mit in den Ofen, wird das Brot knusprig und lecker. Befinden sich jedoch noch Reste von Reinigungsmitteln im Ofen, wird das Brot miserabel.
- Abkühlprozesse im Auge behalten: Zu schnelles Abschrecken bringt Gläser zum Springen. Zu langes Abkühlen bringt die Stimmung am Esstisch zum kippen: Niemand will lange auf sein Sandwich warten!
- Anschließende Lagerbedingungen beachten: Wenn das Sandwich ursprünglich noch knusprig lecker war – nach 2 Stunden in der Brotbox ist es nur noch matschig.
Zusammenfassung
Wie bei der Sterneküche ist auch beim Sintern die Liebe zum Detail gefragt. Hierzu gehört erfahrenes Personal, das auch entsprechend die Kapazität hat sich mit den Details beschäftigen zu können. Wie beim flussmittelfreien Löten ist die Materialqualität entscheidend für den Erfolg. Zusammen mit bestem Equipment sind so Produkte mit einer herausragenden Lebensdauer und Zuverlässigkeit möglich.